Gedanken zur MS
Gedanken zur MS mache ich mir mittlerweile sehr viele.
Je schlechter mein Gesundheitszustand ist, desto öfter liege ich nachts wach im Bett und das Kopfkino springt an.
Ich denke, das ist ein ganz normales Verhalten, da das Leben schon ein anderes geworden ist.
Ich habe das Gefühl, am seitlichen Mittelstreifen hinterherzulaufen, zu hinken, ach zu kriechen.
Das Teilnehmerfeld ist kaum noch zu sehen. Sie rennen mir davon und ich quäle mich am Seitenstreifen mühselig ab.
Nur nicht das Feld komplett verlieren, da ich mich sonst verliere.
Brav absolviere ich meine Übungen. Ich bin diszipliniert und ehrgeizig.
Die Eigenschaft hat mir die MS noch nicht nehmen können. Zum Glück!
Aber so viele andere Dinge.
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Meine Gedanken zur MS Situation → IST Zustand
Meine Spontanität läuft gegen null. Alles will geplant und vorbereitet, sprich durchorganisiert sein.
Das fängt schon bei der morgendlichen Routine an. Diese wird zum Hürdenlauf.
Wo sind die Griffe, wie komme ich hoch, wie komme ich sicher in die Dusche herein, geschweige denn heraus.
Von der spastischen Nacht zuvor, den Schmerzen und den Toilettengängen spreche ich erst gar nicht.
Der ständige Schlafmangel zermürbt mich zusätzlich.
Schaffe ich mein Trainingspensum oder muss ich notfallmäßig zum Hörer greifen und nach Hilfe rufen?
Studieren, arbeiten gehen, alles hinfällig, da der Körper streikt und ich die kleinsten Dinge nicht mehr auf die Kette bekomme.
Das bisschen Haushalt macht sich nicht von alleine. Helfende Hände und pflegende Personen sind behilflich.
Spontane Urlaube in südliche Länder kann ich knicken, da es einfach zu heiß ist. Bei Hitze erlebe ich sofort eine Verschlechterung der Symptome.
Herr Uhthoff hat mich voll im Griff.
Spontanität fällt irgendwie komplett aus dem Leben mit MS heraus (im fortgeschrittenen Stadium).
Die Freizeit gestaltet sich schwierig, da ich auch dort ständig auf Hilfe angewiesen bin.
Der letzte Umzug war eine Schnapsidee, seitdem geht es gesundheitlich nur noch bergab. Aber: Ich plane eine Veränderung, ich werde berichten. 😉
Wie erbärmlich es ist, einfach nicht vom Sofa alleine hochzukommen, das brauche ich nicht zu erwähnen. Ein echtes SCHEISS Gefühl.
Zusätzlich war der Aufwand das Auto umzurüsten für die Katz, da ich zurzeit nicht fahre.
Meine linke Hand macht nicht das, was sie soll und deshalb fahre ich bewusst kein Auto. Sicherheit geht mal wieder vor.
Konsequenz: Ich bin noch mehr auf mein helfendes Umfeld angewiesen.
Klar bin ich froh und dankbar dies zu haben, trotzdem fehlt mir immer mehr mein Freiheitsgefühl.
Das mal eben schnell weg Gefühl. Das gibt es nicht mehr.
DAS FEHLT MIR!
Das macht mich sauer!
Manchmal sogar WÜTEND!
Mein Körper verabschiedet sich immer weiter … Stück für Stück … ohne zu fragen. Irgendwie ist das ein Gefühl von ausgeliefert sein.
Jetzt höre ich schon die ganzen Stimmen aus dem Hintergrund rufen:
Man kann sein Leben beeinflussen, sehr gut mit der MS leben.
Wir müssen nur die Ernährung umstellen. Yoga, Pilates oder ein Coaching absolvieren. Dann fluppt das schon.
Am BESTEN finde ich die Sprüche von Außenstehenden, den völlig Ahnungslosen, die mir gute Ratschläge erteilen.
Darauf kann ich gut und gerne verzichten, muss sogar ein wenig schmunzeln.
Ich bin lange genug dabei und weiß, wo der MS Hase langläuft.
Nichts für ungut, aber heute Abend bin ich irgendwie in Gedanken/ in Plauderlaune. Auf gut gemeinte Sprüche verzichte ich. 😉
Meine Gedanken zur MS kommen und gehen. aber, wenn der Neurologe einem dann direkt ins Gesicht sagt:
Tja, da kann man ja nicht wirklich was machen, … dann muss ich mich schon fast kaputt lachen.
Und irgendwie hat er ja RECHT und spricht es direkt aus. Das ganze rum Geschwafel bringt uns eh nicht weiter.
Aber, was versprechen uns die Pharma Fritzen alles?
Mit MS kann man ein fast normales Leben führen. Ich schreie mich gleich weg vor Lachen und denke mir: Ja, viel Kohle kann man mit uns Patienten machen.
Ansonsten ist noch nicht wirklich etwas Bahnbrechendes auf dem Markt erschienen, außer:
Medikamente, die die Symptome lindern, die Krankheit aufhalten und mit ganz viel Glück zum Stoppen bringen sollen.
Ich finde diesen Ansatz besser:
Erst einmal die Ursache finden und dann etwas entwickeln, was hilft und heilt! (Corona haben sie auch in den Griff bekommen).
Aber da warte ich schon 37 Jahre lang darauf. So lange habe ich den Mist schon an den Haken.
Und was sagt uns das?
Da machst du NICHTS dran (Klemens Worte, Insider) und mittlerweile einer meiner Lieblingssprüche.
Keiner weiß, was wird, wie es wird und wie es weitergeht.
Eigentlich ganz gut so, oder?
Was sind DEINE Gedanken zur MS?
Mit diesen Gedanken zur MS schlafe ich heute schmunzelnd ein.
In diesem Sinne:
Gute Nacht, ich mache jetzt das Licht aus, denn morgen früh geht es im Schneckentempo heiter weiter.
Deine Christine!
❤️
P.S. Und nein, ich bin nicht depressiv, verstört, sondern eher nachdenklich und realistisch unterwegs.
Liebe Christine
Du sprichst mir aus dem Herzen!
Nach mehr als 32 Jahren mit der MS habe ich oft auch die Nase voll!
Es ist einfach oft nur so dooof!
Ohne weitere Worte.
Liebe Grüsse aus Zürich
Hallo Cassandra,
Ich verstehe den Zusammenhang nicht ganz, was die profylaktische Einnahme von Medikamenten bei MS mit den Gedanken und Gefühlen zu tun hat, die man zwangsweise entwickelt, wenn eine kontinuierliche Verschlechterung der Gesamtsymphtomatik bei einem sekundär progredienten Verlauf einem einfach die Kraft nimmt, körperlich und seelisch.
Christine hatte zu Beginn ihrer MS vor über 30 Jahren leider nicht die Möglichkeit aus einer Vielzahl der heute verfügbaren Therapien auszuwählen und hat sich im Laufe der Erkrankung dafür entschieden weitestgehend auf Chemie zu verzichten.
Ich selbst habe vor fast 25 Jahren für mich entschieden den Weg der Medikamente zu gehen und habe bis heute nahezu alle Produkte durch.
Das Ergebnis heute gleicht in etwa dem Zustand, in dem sich Christine befindet. (Traue ich mich jetzt einfach zu sagen).
Fazit: Keiner von uns weiss zu Beginn der Erkrankung, was der richtige Weg ist. Die Wirkung und die Erfolge der Medikamente können nur statistisch und kaum individuell erfasst werden. Das heisst aber auch, dass weder Christine noch ich weiss, wie es uns heute ginge, wenn wir jeweils den Weg des anderen eingeschlagen hätten. Tatsache ist aber, dass es uns beiden beschissen geht und es für unser Stadium definitiv noch keine wirksamen Medikamente gibt.
Nicht böse gemeint mein Kommentar: Wollte nur zeigen, dass die Frage – Medikamente ja/nein – bei der Diskussion wie es uns heute geht, keine Rolle spielt. Nur das hier und heute zählt.
Liebe Christine,
ich lebe nun seit 2,5 Jahren mit meinem “Begleiter” und er hat mich in kürzester Zeit von einem normal lebenden Menschen zu jemandem verändert, der die Tage für sich durchplanen muss, um nicht am Ende des Tages nichts erledigt zu haben. Mein Laufen, kann nur noch als langsames, unsicheres Fortbewegen bezeichnet, der Rollator wurde mir schon ans Herz gelegt und in der letzten Reha wurde mir mein auf mich zukommender Weg beschrieben. Von konstant unterbrochenen Nächten wegen Spastiken oder Toilettengang rede ich schon gar nicht mehr. Einhergehend wurde mir nahe gelegt auf Immunsuppressiva zu verzichten da mein Verlauf als Sekundär chronisch Progredient eingestuft wurde und für diesen Abschnitt entwickelt die Pharmaindustrie nicht wirklich weil nicht profitabel. Da soll man kein Kopfkino bekommen! In dieser Reha wurde ich auf einen Anzug aufmerksam gemacht der Hilfe verspricht für MS Kranke. https://www.ottobock.com/. Leider ist dieser Anzug noch in einer Studie und wird aktuell weder von Krankenkassen noch vom Rentenversicherungsträger bezahlt aber die Studie endet im Herbst diesen Jahres und es wird davon ausgegangen, dass die Zulassung erfolgt und dann auch verschrieben werden kann. Ich konnte mich von der Wirksamkeit in der Reha überzeugen und vielleicht kann es wenigstens eine Hilfe sein für die Betroffenen. Es scheint doch noch ein Lichtblick möglich zu sein. Deswegen: Heads up! Ansonsten kann ich mir nur den anderen Kommentatoren anschließen, dein Blog ist mir eine Hilfe und eine Inspiration.
Mit lieben Grüßen
Detlev
Vielleicht hätte ja entsprechende Prophylaxe geholfen? Es wäre auf jeden Fall einen Versuch wert gewesen.
….viele Grüße von einer seit 1997 an MS Erkrankten
Liebe Christine,
ich bin mittlerweile seit ca. 24 Jahren mit dieser besch… Krankheit unterwegs und stehe fast täglich vor neuen Herausforderungen. Kämpfen, reden und auch manchmal traurig sein – so gehe ich damit um.
Du hast mir aus dem Herzen gesprochen. Vielen lieben Dank dafür!!!
Hallo Christine,
ja zwischen Galgenhumor, Wut und Verzweiflung, so lebe auch ich mein aktuelles Leben!
Ich habe mir jetzt einen Segway Rollstuhl bestellt in der Hoffnung, mit diesem wieder etwas mehr an Selbständigkeit zu erlangen und nicht mehr nur zu Hause rumzusitzen und darauf zu warten, dass ich abgeholt werde und etwas Abwechslung in mein Leben bringen kann…
Vielen Dank für deinen Artikel, sehr gut geschrieben!!!
Ach, noch was Anderes: Ich finde ihn wunderschön, Deinen Blog. Da hast Du etwas geschaffen, was einmalig ist. Du hast Menschen zusammengebracht, die etwas gemeinsam haben: Wir sind alle auf der Suche nach Antworten. Antworten auf Fragen nach dem warum nach dem was nun, nach dem wie geht’s weiter. Du hast mit Deiner Liebe und Menschennähe eine Plattform des Vertrauens geschaffen und das ist einzigartig und ich finde, es ist für jeden von uns der Jackpot, wenn wir offen sind und das Gemeinsam lieben. Vielen lieben Dank Christine und wir machen alle weiter.
Liebe Christine
Vor dem Frühstück schon ne Runde geheult (beim Lesen deines Textes, der mir sehr bekannt vorkommt).
Herzlichen Dank!
Silke
Liebe Christine, du hast auch mich beschrieben. Ich mochte dir danken, weil ich dank dir jede Woche im Lokomaten laufe, ich habe diese Ergotherapie in Hannover gefunden.
Das erste Mal habe ich es bei dir auf Instagram gesehen.
Bin Rollstuhlfahrerin geworden und das Laufen im Lokomaten ist ein Genuss für mich
Danke für Deinen Bericht. Die Abhängigkeit bei vielem macht mir auch zu schaffen, vor allem wenn man unterwegs sein möchte oder muss.
Liebe Christine,
ein wiedermal wunderbarer Beitrag, der alle Facetten zeigt und einem vor Augen bringt, das manchmal alles positive Denken und Tun nicht immer helfen können. Und trotz allem hat es mich nicht nur nachdenklich gemacht sondern mich auch schmunzeln lassen, denn deine erfrischende Art auch negative Seiten zu beschreiben und damit umzugehen, zaubert ein Lächeln in mein Gesicht.
Ich wünsche dir von Herzen das du es auch wieder schaffst, deinen Alltag wieder besser zu meistern und deine Freude nicht verlierst und vor allem deinen Humor!
Alles Liebe Kiki
Liebe Christine, deine Zeilen machen mich traurig und nachdenklich zugleich!
Wir gehen jetzt schon einige Jahre gemeinsam diesen mittlerweile sehr holprigen und steinigen Weg. Wir haben uns kennengelernt, als deine MS anfing „rumzuzicken“. Ich bin von der Fraktion Medikamente und habe so einiges probiert. Es hat – wie ja eigentlich prognostiziert- die weitere körperliche Behinderung herausgeschoben, keinesfalls verhindert. Ich bewege mich für kurze Strecken noch am Rollator fort, als Laufen ist es schon eine ganze Weile nicht mehr zu bezeichnen. Aber ich bleibe dran, weil ich ja weiß, dass der Rollstuhl folgt. Ein Bekannter sagte mal: ein Rollstuhl ist wie ein Krokodil, es schnappt zu und lässt dich nicht mehr los! Und dann kommt Klemens – da machst du Nichts!
Noch zu erwähnen, dass es bei uns Hardcore ist. Zwei Bettroffene, die versuchen ein halbwegs normales Leben zu leben, ständig auf der Suche nach Erleichterung für das tägliche Leben. Irgendwann wird dieses Kartenhaus zusammenbrechen…bis dahin bleibt mein Glas halbvoll 😎 Nachdenkliche Grüße 🫶😘
Danke für den BEITRAG. Ich fühle mich verstanden.
Liebe Grüße von Felix
Liebe Christine,
auch bei mir läuft das nächtliche Kopfkino auf Hochtouren.
Immer mit der Frage wo das alles hinführt und vor allem wie schnell.
Das Tempo der Abwärtsspirale gefällt mir gar nicht.
Erst waren es die Beine, aber jetzt sind beide Hände betroffen.
Es fängt ganz klein an, dann kommt der Fail immer häufiger vor, bis er schließlich dauerhaft bleibt.
Ich bin im Moment an einem Punkt angekommen, wo ich keine Erwartungen mehr an das Leben habe. Es ist mir fast alles was mich ausgemacht hat, genommen worden.
Das einzigste was jetzt noch zählt ist der Frieden in mir und der Kampfgeist jeden Tag aufzustehen.
Ich mach´s mal kurz!
Christine, für mich las sich das, als würdest du mich gut kennen.
Der Text hätte Wort für Wort, auch von mir stammen können!
So wie ich das empfinde, ist hier der einzige Ort an dem Menschen versammelt sind, die ein Leben mit MS wirklich verstehen!
Vielen Dank dafür!
Liebe Christine,
puhhhh, ich kenne mittlerweile Deine offene und auch selbstkritische Umgangsweise mit unserem gemeinsamen “Begleiter”, Jetzt wechselte meine Stimmungslage beim Lesen doch mehrmals zwischen Traurigkeit und Schmunzeln, aber wahrscheinlich ist es genau so unser aller seltsames Leben – so einfach.
Weißt Du, was ich nach dem ersten Mal Lesen spontan gedacht habe? Die liebe Christine hat mir schon oft geholfen, nicht vom Kurs abzukommen. Aber dass sie für mich den perfekten Prolog schreibt für das Buch, das ich seit 10 Jahren schreiben will und für das ich schon viele Seiten über meine Lebenswelt gesammelt und zu Papier gebracht habe, wäre nun wirklich nicht nötig gewesen 😉.
Aber ich finde es so, wie Du denkst und fühlst und Du es geschrieben hast, perfekt, und wenn unterschiedliche Menschen dieselben Gedanken und eine Botschaft haben zu einem schwierigen, weil unlösbaren Konflikt in deren Leben, dann dürfen sie auch mal ähnlich fühlen und denken und vor allem – es auch sagen!
Ich habe gerade Dein Lächeln gesehen und mich deshalb dafür entschieden die Gedankenwelt über mein Leben jetzt nicht umfänglich auszubreiten; es gäbe zu viele Wiederholungen. Vielleicht nehme ich aber “Dein Bild” für eine Kurzvorstellung: “Ich machte vor vielen Jahren das Licht aus und fand mich plötzlich in einem neuen Leben”.
Vielleicht noch ein eigenes Beispiel von mir zum Thema Weinen und Schmunzeln, mein aktueller psychopathologischer Befund (den desolaten Körper erspare ich Euch) nach fast 30 Jahren MS.
“Wach, orientiert. Bewusstsein klar. Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis intakt. Keine formale oder inhaltliche Denkstörung. Antrieb und Kognition intakt. Sehr freundlich und humorvoll. Affekt gedrückt. Resigniert” – und nun die Gretchenfrage: Was sollen mir diese Worte sagen?
Zurück zu Dir: Ein nachdenklicher und positiver Beitrag für nachdenkliche Menschen, die den positiven Weg des Lebens genommen haben. Super schön liebe Christine und vielleicht besser doch was für “Dein Buch”; mag mich nicht mit fremden Lorbeeren…… 😉